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CVJM Baden Aktuell (Archiv)

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Kooperation statt Konkurrenz

Jugendarbeit soll Impulsgeber für ökumenisches Miteinander werden


Beim Studientag am 21. Juni 2021 zum Thema „Junge Menschen und die Kirche“ stellten Wolfgang Ilg, Professor an der Evangelischen Hochschule Ludwigsburg, und Cornelius Kuttler, Leiter des Evangelischen Jugendwerks in Württemberg (EJW), sieben Impulse für die Zukunft der Kirche vor. Kuttler betonte dabei das ökumenische Miteinander. Die Jugendarbeit solle dabei Impulsgeber sein und stärker kooperieren. Ilg betonte, dass Kirche viel mehr als Gottesdienst sei und die Gemeinde vielfältiger als der Amtsbezirk des Pfarrers. „Die Kirche der Zukunft muss die Monokultur überwinden“, so Ilg. Jetzt sei es an der Zeit, dass die Perspektive für die nächsten 40 Jahre insbesondere von denen gestaltet werden, die im Jahr 2026 noch nicht im Ruhestand sind. „Es ist an der Zeit, neu mit jungen Menschen aufzubrechen – leidenschaftlich und gelassen“, so Kuttler. Hintergrund der Online-Veranstaltung, an der fast 200 Verantwortliche und Studierende teilgenommen haben, war die „Freiburger Studie“ und das Forschungsprojekt „Jugend zählt 2“, die geplante Statistik zur Erhebung der Arbeit mit jungen Menschen in den Evangelischen Landeskirchen und ihrer Diakonie in Baden und Württemberg.

 

Relevanz des Glaubens deutlich machen

 

Jochen Cornelius-Bundschuh, der Landesbischof der Evangelischen Landeskirche in Baden, betonte in seinem Impuls zum Beginn der Veranstaltung, dass in der kirchlichen Arbeit mehr danach gefragt werden müsse, was junge Menschen brauchen. Dabei gehe es nicht um Integration in die Kirche, sondern vor allem um Freiräume für junge Menschen. Religion scheine für junge Leute nicht wichtig zu sein. Deshalb komme es darauf an, immer wieder die Relevanz des Glaubens deutlich zu machen.

 

„Vermissen wir diejenigen, die uns verlassen?“

 

Fabian Peters, Leiter des Kompetenzzentrums Statistik und Datenanalyse der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, erläuterte die Freiburger Studie „Kirche im Umbruch“, die er für die evangelische Seite verantwortet hat. Danach wird sich die Zahl der evangelischen Kirchenmitglieder bis zum Jahr 2060 halbieren. Peters betonte, dass die Studie eine Projektion des Ist-Zustands sei und keine Prognose. Gründe für den Rückgang seien demografisch bedingt, aber auch kirchenspezifische Faktoren wie Kirchenaustritte spielen eine große Rolle. Diese ließen sich nach anderen Untersuchungen nicht mit der Arbeit der Kerngemeinde erklären, sondern seien von außen getriggert. In seinem Impulsvortrag fragte er sich und die Teilnehmenden: „Vermissen wir eigentlich diejenigen, die uns verlassen?“ Sein Fazit der Studie: Die beiden christlichen Kirchen werden weniger, älter und ärmer.

 

Quotenregelung, Ankerplätze und echte Beteiligung

 

In einer Diskussionsrunde plädierte Carmen Rivuzumwami, Leiterin des Dezernats „Kirche und Bildung“ der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, für eine Quotenregelung in kirchlichen Gremien für junge Menschen. Sie kündigte zudem einen Bildungsgesamtplan 2022/2023 an, der mit einem großen Beteiligungsprozess entwickelt werde. Nach Auffassung von Wolfgang Schmidt, Dezernatsleiter „Bildung und Erziehung in Schule und Gemeinde“ der Evangelischen Landeskirche in Baden, müssen „emotionale Ankerplätze“ angeboten werden, in denen „Kirche positiv erfahren und trotzdem erkennbar bleibt“. Anja Faißt, Schulsozialarbeiterin und Landessynodale, forderte echte Beteiligung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen und keine Scheinbeteiligung beispielsweise bei der Musikauswahl oder der Gestaltung des Konfirmationsgottesdienstes. Judith Gross, Studentin der EH Ludwigsburg, betonte, dass die Jugendarbeit viel zu bieten und ein großes Potential auch für die demokratische Bildung habe. Nachmittags beschäftigten sich die Teilnehmenden in 20 Workshops beispielsweise mit der Arbeit mit Kindern und ihren Familien, diakonischer Jugendhilfe, der Konfi-Arbeit der Zukunft, Kirche als Ort demokratischer Bildung, neuen Gemeindeformen und der Frage, wie Glaube auch in den sozialen Medien einen Mehrwert bieten kann.

 

Neue Aufbrüche

 

Die große Beteiligung an dem Studientag, zu der die Evangelische Hochschule Ludwigsburg, die Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend in Württemberg, das Evangelische Jugendwerk in Württemberg, das Evangelische Kinder- und Jugendwerk Baden und der CVJM Baden eingeladen haben, zeigt, dass die Prognose 2060 für die Verantwortlichen zwar ernüchternd ist, aber keine Motivationsbremse. Sie möchten Jugendarbeit und Kirche weiter aktiv gestalten und neue Aufbrüche wagen. Für Wolfgang Ilg ist dabei klar: „Kirche entwickelt sich am besten, wenn sie sich nicht mit sich selbst, sondern mit ihrem Auftrag beschäftigt und damit Kirche für andere ist.“

 

Sieben Impulse zur Zukunft der Kirche
Veröffentlicht beim Online-Studientag „Junge Menschen und die Kirche“
am 21.06.2021 von Dr. Wolfgang Ilg (Professor an der EH Ludwigsburg) und Cornelius Kuttler (Leiter des EJW)

  1. Perspektiven für 2060 sollten insbesondere von denen mitgestaltet werden, die im Jahr 2060 noch nicht im Ruhestand sind.
  2. Kirche wird ihrem Auftrag bei jungen Menschen gerecht, wenn sie einen Beziehungsraum bereitstellt.
  3. Die Relevanz der Kirche ergibt sich aus der Lebensrelevanz des Glaubens.
  4. Kirche ist mehr als Gottesdienst. Gemeinde ist vielfältiger als Parochie. Die Kirche der Zukunft muss die Monokultur überwinden!
  5. Kooperation statt Konkurrenz: Jugendarbeit sollte zum Impulsgeber für ein ökumenisches Miteinander ohne Berührungsängste werden.
  6. Kirche entwickelt sich am besten, wenn sie sich nicht mit sich selbst, sondern mit ihrem Auftrag beschäftigt.
  7. Es ist an der Zeit, neu mit jungen Menschen aufzubrechen – leidenschaftlich und gelassen.

Eberhard Fuhr (Pressesprecher des EJW)

 

links: Pfarrer Cornelius Kuttler (Leiter des EJW); rechts: Dr. Wolfgang Ilg (EH Ludwigsburg)